Ostseewoche, die Neuauflage der Warnemünder Woche
Die Neuauflage der Warnemünder Woche, damals noch Ostseewoche, dann Internationale Ostseeregatta, kann sich die Sektion Segeln der BSG Motor Warnowwerft beruhigt auf ihre Fahnen schreiben. Fast alle Aktivitäten gingen auf das Konto der Warnemünder Segler. Der Knurrhahnstander flatterte noch lustig im Wind. Er war einfach ein Zeichen für Segeln in Warnemünde. Bis, ja bis so ein unangenehmer Zeitgenosse der zentralen BSG Warnowwerft feststellte, dass in diesem Stander die reaktionären Farben Schwarz-weiß-rot enthalten sind. Das war in seinen Augen schon Landesverrat. Er machte Werft- und Parteileitung auf diesen reaktionären Stander aufmerksam. Diese kamen natürlich auch zu dem Schluss, dass die Segler so einen Stander nicht auf ihren Booten setzen durften. Die Segler könnten ja auch den Wimpel mit dem Motor -Zahnrad der BSG setzen. Einen Sturm der Entrüstung gab es. Letzter Ausweg war, einen neuen Stander zu entwerfen. Ein Wettbewerb innerhalb der Sektion Segeln fand statt. Knapp 70 Vorschläge gingen ein. Schließlich einigten sich die Segler auf einem Wimpel mit dem Doppel-W untereinander. Warnowwerft! Entworfen hatte diesen Wimpel der Warnemünder Günter Heimhardt. Vater des heutigen Museumschefs Uwe Heimhardt.
Die zweite Ostseewoche fand offiziell nicht statt. Politische Intrigen des kalten Krieges ließen die DDR Behörden erzittern. Sie verboten wegen grenzsichernder Maßnahmen einfach die Veranstaltung. Trotzdem wurde gesegelt. Aber als lokale Warnemünder Woche. In der Vorbereitung hatten Paul Lass und Fotografenmeister Wolfhard Eschenburg ihre Beziehungen spielen lassen, damit auch westdeutsche Teilnehmer nach Warnemünde kommen.
Sie kamen auch. Doch auf der Ostsee durften nur die Klassen mit ausschließlich DDR Beteiligung segeln. Auf dem Breitling allerdings konnte dann auch mit westdeutschen Teilnehmern gesegelt werden. Trotzdem, die Ostseewoche wurde im Jahr darauf fortgesetzt, jedoch nur noch in Warnemünde.
Erst 1954 hoben die Behörden die grenzsichernden Maßnahmen auf. Zu den Siegern der Ostseewoche 1954 gehörte der kürzlich noch als Fischkutter fahrende Seekreuzer „Tümmler II“ mit Eigner Hans Werner Sass, sowie der „Rasende Professor“ Alfred Krause mit seinem Vertenskreuzer „Seeteufel“. Mit einer Beteiligung von über 100 Booten stieg die „Warnemünder Ostseewoche“ aus ihren Kinderschuhen.
1956 wurde die Warnemünder Ostseewoche auch international. Aus heiterem Himmel kreuzten kurz vor dem ersten Start fünf polnische Seekreuzer aus Stettin in Warnemünde auf. Es kam zu herzlichen Begegnungen zwischen Warnemünder und polnischen Seglern. Ein Novum der besonderen Art gab es in diesem Jahr: Durch die inzwischen hohe Anzahl von Seglern kam es in Warnemünde zu Versorgungsengpässen. Die Wettfahrtleitung organisierte zusätzliche „Seeverpflegung“ aus Zentrallagern des Bezirkes Rostock. Es gab Dauerwurst, Butter und Brot. Es versteht sich, für alle Teilnehmer reichlich und kostenlos! Ein festes Wettfahrtbüro gab es immer noch nicht. Die Ostseewoche wurde aus leerstehenden Geschäften und Restaurants organisiert.
Nun eine Zwischenstory, resultierend aus dem Besuch der polnischen Yachten in Warnemünde. Der Sportclub Pogon Szczezin lud nämlich die Warnemünder Segler zu einem Besuch nach Stettin ein. Dieser Besuch erfolgte 1958. Sechs Warnemünder Seekreuzer setzen sich Pfingsten mit Kurs auf Stettin in Bewegung. Es handelte sich um die Yachten „Orion“, „Wega“, „Venus“ „Sirius“, „Polaris“ und „Shanty“.
Sie waren die ersten deutschen Yachten, die Stettin nach dem Kriege besuchten. Entsprechend groß war die Aufmerksamkeit. Das Wetter war gut, nur die „Venus“ segelte auf der Hinfahrt einen besonderen Kurs. Der Skipper hatte sein Kofferradio neben den Kompass gestellt und steuerte durch den entstandenen elektromagnetischen Kompassfehler die Insel Möen an, um dann erst nach Swinemünde zu segeln.
Er hatte die Lacher auf seiner Seite. In Stettin gab es einen ganz herzlichen Empfang. Daraus entwickelte sich eine langjährige Freundschaft mit Seglern von Pogon Szczezin.
Die Ostseewoche der Segler wurde 1959 namentlich umgestellt. In den Bemühungen der DDR um internationale Anerkennung riefen die DDR Ideologen die Politshow „Ostseewoche“ ins Leben. Der Name Ostseewoche passte genau in das Konzept der damaligen Rostocker Politgrößen. Die Segelveranstaltung musste sich umbenennen, wollte sie ihren eigenen Charakter behalten. Schließlich wurde der Begriff „Internationale Ostseeregatta“ geschaffen.
Er blieb konstant bis zum Jahre 1990. Die Jahre dazwischen waren gekennzeichnet vom kalten Krieg der beiden Weltmachtblöcke. Es gab Jahr für Jahr immer irgendwelche Konflikte. Zudem kam in Warnemünde jetzt der Leistungssport zum Zuge.
Die Internationale Ostseeregatta vor Warnemünde wurde für die Ostblockstaaten das Gegenstück zur weltoffenen Kieler Woche. Einziger Unterschied: Die sogenannten Westsegler wollten oder durften nicht nach Warnemünde. Umgekehrt wollten die Ostblocksegler zwar nach Kiel, aber durften oft nicht. Besonders die Nationalflaggen waren ein spezieller Zankapfel. In einem Jahr blieben die „Westsegler“ aus der BRD auf den Pollern sitzen, weil die DDR für die Westberliner Starter die Berliner Flagge aufgezogen hatte. Sozusagen als dritte deutsche Flagge. In Kiel wurde die „Spalterflagge“, wie man damals sagte, nicht aufgezogen, und die Rostocker Jungs blieben auf den Trockenen sitzen. Dazwischen standen die Warnemünder Organisatoren, die oft nicht wussten, wie es weiter gehen soll. Es gab aber stets einen Ausweg aus der Ausweglosigkeit.
1960 wurden zum ersten Mal vor Warnemünde Optimistjollen gesegelt. Eine Gruppe dänischer Segler von der Sundby Sailing Vereinigung Kopenhagen hatte sie mitgebracht. Die Warnemünder Jugendverantwortlichen erkannten sofort: Dass war die zukünftige Kindersegeljolle. Die Dänen hatten auch gleich Zeichnungen und Bauskizzen mitgebracht.
Auf dem Schnürboden der Warnowwerft wurden sofort acht Jollen nachgebaut. Ein Jahr später fanden bereits Optimistregatten in Warnemünde statt. Von Warnemünde trat danach die Optimistjolle ihren Siegeszug um die ganze Welt an. Selbst in Wladiwostok und Kuba wurde damals der Optimist gesegelt. Heute sind die Optimisten die weltweit größte Segelflotte.
Der Tag des Mauerbaus in Berlin und damit die Schließung aller Grenzen, einschließlich der Seegrenzen, war der tiefste Einschnitt in die seglerischen Freiheiten des Warnemünder Segelvereines. Dennoch, die Abwanderung von Sportfreunden in andere Sportbereiche hielt sich in Grenzen. Es gab einige Proteste, aber wozu Proteste in einer Diktatur? Aber nun begann der Papierkrieg um den Sonderausweis PM 18.
PM 18 war nur die Bezeichnung für einen Vordruck, ein Formular der Grenzbehörden und der Polizei. Er hatte an sich nichts mit einem Ausweis zu tun. Es handelte sich nur um eine Genehmigung zum Befahren der DDR Territorialgewässer, der 3-Seemeilen-Zone. Abgesegnet wurden die Genehmigungen von verschiedenen Behörden. Gewiss hat auch das Ministerium für Staatssicherheit da mitgemischt. Einige Knüppel wurden den Seglern ebenfalls in den Weg gelegt. So durfte nur von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang gesegelt werden. Flauten waren dabei keine Entschuldigung, wenn die Yacht erst eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang in den Hafen kam. Das konnte ein paar hundert Mark kosten.
hallo zusammen,
schöne, sachliche chronik! ich möchte um eine kleine korrektur bitten.
„Die erste und gleichzeitig letzte Yacht, die 1945 noch ins Wasser gesetzt wurde, war ein kleiner Küstenkreuzer vom Autounternehmen Hermann Lehmann“
dieses autounternehmen hieß zu der zeit noch Gustav Lehmann und das noch mindestens bis mitte der 70iger jahre. alles andere zu diesem abschitt ist auch mir als enkel gustav lehmanns und neffe hermann lehmanns, der später dann das autounternehmen als taxiunternehmen weiterführte, so bekannt
Danke für die sachliche Korrektur, Guido. Wir werden es korrigieren.
hallo martin,
vielen dank für die freundliche reaktion und allen warnemünder seglern wünsche ich: immer eine hand breit wasser unterm kiel!
mfg
guido weiland
Mit Interesse habe ich die Chronik gelesen. Viele der Namen, der erwähnten Personen sind mir aus den Erzählungen meines Vaters Anton Hansmann bekannt. Er war vor dem 2. Weltkrieg Mitglied im Klub und wohl auch noch kurze Zeit danach. Aus seinen Erzählungen weiß ich einiges über diesen Segelklub und bin als ganz kleines Kind auch noch mit beim Kater gewesen. Irgendwann Ende der vierziger oder Anfang der fünfziger Jahre ist er zu dritt unter anderem mit August Müller mit dem Segelboot geflohen. Die dritte Person ist mir nicht mehr bekannt. Ich selbst wohne in Eckernförde und bin Mitglied im ESC – Eckernförde und bin am und zu mit dem Boot im schönen Warnemünde. Vielleicht erinnert sich ja noch jemand an meinen Vater, der 2005 verstorben ist.